P. Manfred Hörhammer ist vor 25 Jahren gestorben. Das Bild zeigt ihn mit 75 Jahren

Das Zugabteil war seine Klosterzelle

Vor 25 Jahren ist P. Manfred Hörhammer gestorben - ein rastloser Pilger für Frieden und Versöhnung

"Genie der Freundschaft", "Geburtshelfer überall da, wo Sand im Getriebe steckt", "Reisender Gottes". Das sind Attribute, die P. Manfred Hörhammer, den Mitbegründer der Pax-Christi-Bewegung, schon zu Lebzeiten treffend charakterisiert haben. Der aus München stammende Kapuziner war eine der großen charismatischen Gestalten der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg. "Ich habe in meinem Leben in mehr als 500 Töpfen gekocht", hat er einmal von sich selbst gesagt. Vor 25 Jahren, am 12. August 1985, ist P. Manfred kurz vor seinem 80. Geburtstag gestorben.

P. Manfreds Wiege stand im Münchner Stadtteil Schwabing. Sein Vater war Münchner, seine Mutter Französin. Die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich, für die er sich später unermüdlich eingesetzt hat, war so bereits in seiner Familie vorgebildet. "Er hat aus dem Erbe zweier Kernnationen dieses Kontinents sein Herzblut für Frieden und Verständigung aus dem Geist Christi gegeben," sagte der frühere Limburger Weihbischof und Pax-Christi-Präsident Walther Kampe über ihn.

Es beginnt damit, dass Manfred Hörhammer ganz ahnungslos 1945 das Versöhnungsangebot der französischen Bischöfe über den Rhein bringt. Als er Im November 1945 aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen wird, macht er auf dem Heimweg im Saarland Station, wo er vor dem Krieg fünf Jahre als Jugendseelsorger gearbeitet hat. Ein Freund steckt ihm einen Packen Flugblätter zu. Er nimmt sie ungesehen mit in der Absicht, sie zu Toilettenpapier zu zerschneiden. Erst zu Hause in München bemerkt er, dass es ein Aufruf der französischen Bischöfe ist und kann gar nicht glauben, was er da liest: "Wir wollen beten für die Brüder in Deutschland". Das Manifest haben vierzig französische Bischöfe unterschrieben. Es stammt von Bischof Pierre Marie Théas, dem späteren Bischof von Lourdes. Er ist 1943 von den Nazis inhaftiert worden, weil er von der Kanzel gegen die Verschleppung von Juden protestiert hat. Als ihn 1944 die Amerikaner befreien, ruft er zu einem Gebetskreuzzug für die Versöhnung mit Deutschland und für den Frieden in der Welt auf. Es ist die Geburtsstunde der internationalen katholischen Friedensbewegung.

P. Manfred ist fasziniert. Der Gedanke an Frieden durch Versöhnung, vor allem zwischen Franzosen und Deutschen, lässt ihn nicht mehr los. Er schreibt alte Freunde aus der Jugendarbeit in allen Diözesen Deutschlands an und wirbt für die Idee einer Friedensbewegung. Im Februar 1947 fährt er mit 16 anderen Deutschen nach Lourdes, wohin Pierre Marie Théas zu einem Treffen unter dem Namen "Pax Christi" eingeladen hat. Im Jahr darauf findet in Kevelaer am Niederrhein bereits der erste internationale Pax-Christi-Kongress statt. Der Hauptredner heißt P. Manfred Hörhammer. Sein Thema ist die Theologie des Friedens. "Das Thema Krieg und Frieden darf nicht eine Sache der Romantiker werden, sondern eine saubere theologische Arbeit", fordert er.

Von da an steckt er mitten drin. Er wird Generaldelegierter und geistlicher Beirat der deutschen Sektion. Es beginnt ein drei Jahrzehnte andauernder Dialog. P. Manfred reist als Pilger für den Frieden von Begegnung zu Begegnung durch ganz Europa. Das Zugabteil wird zu seiner Klosterzelle, der Rucksack zu seinem unveränderlichen Merkmal. Und er versteht es wie kein Zweiter, Zeichen zu setzen. So besucht er Orte, an denen die Deutschen Massaker verübt haben: Oradour sur Glâne, wo die SS 642 Bewohner, fast die gesamte Bevölkerung, umgebracht hat. Oder Ascq in Nordfrankreich, wo sie 186 Eisenbahner wegen eines nicht bewiesenen Sabotageaktes nachts aus den Betten geholt und erschossen hat.

Ein weiteres Zeichen setzt er mit einem Sühnegang nach Mauthausen. Ehemalige Nationalsozialisten tragen als Zeichen ihrer Buße ein schweres Kreuz ins Lager. Und er ist der erste, der mit einer Delegation nach Auschwitz und nach Israel reist, um das Tor zu einer Versöhnung mit den Juden aufzustoßen. In Polen bereitet er mit Besuchen und vielen Gesprächen den Boden für den historischen Briefwechsel der deutschen und polnischen Bischöfe von 1965 vor. Die Oberhirten beider Länder haben vor kurzem in Fulda und Breslau an dieses Ereignis erinnert.

Vieles mehr hat P. Manfred angestoßen im "vorauseilenden Gehorsam", wie er gerne sagte. Er hat sich um die Kriegsdienstverweigerer gekümmert, lange bevor die offizielle Kirche sich dieser Gruppe angenommen hat. Der internationale Bauorden war seine Initiative und MISEREOR. Zur Vorbereitung des Marianischen Jahres 1954 hat er eine Fastenaktion mit dem Motto "Der Fremde - mein Bruder" vorgeschlagen. "Wenn wir schon der Mutter der Menschwerdung gedenken", sagte er, "sollte man gleichzeitig die Menschenrechte neu ausrufen." Pax Christi begann mit der Aktion, der BDKJ schloss sich an, ebenso Kolping und die anderen Verbände. Am Schluss ist MISEREOR daraus geworden.

Aus welchen Quellen schöpfte P. Manfred? Ein Neues Testament trug er immer bei sich. Von seinem Ordensvater Franziskus hatte er die Anspruchslosigkeit, Phantasie und Liebe zu den Menschen. Sein zweites spirituelles Standbein war der Quickborn, die kirchliche Jugendbewegung, die vor allem von Romano Guardini geprägt war. Auch nach seinem Eintritt in den Kapuzinerorden blieb P. Manfred dieser Bewegung treu. Er feierte nach dem Theologiestudium in Eichstätt 1929 seine Primiz auf Burg Rothenfels, dem geistigen Zentrum des Quickborn, ebenso 50 Jahre später sein Goldenes Priesterjubiläum. Von 1938 an war er auch im Münchner Una-Sancta-Kreis aktiv, einer vom Quickborn beeinflussten ökumenischen Bewegung. Der ehemalige evangelische Dekan Dr. Johannes Strauß nannte ihn 1986 bei einer Feierstunde einen "Ökumeniker des Lebens und nicht so sehr der Lehre. Was ihn Grenzen überschreiten ließ, war die elementare Bruderschaft, die gar nicht anders konnte, als in den evangelischen Mitchristen Freunde zu sehen."

An eine seiner größten Vermittlungstaten erinnert das Friedenskreuz im badischen Bühl. P. Manfred Hörhammer war es 1951 gelungen, die Begnadigung von sechs Deutschen zu erreichen, die im Vichy-Prozess nach dem Kollektivschuld-Gesetz ("Lex Oradour") zum Tod verurteilt worden sind. Einer von ihnen, Adam Essinger aus Reichenbach im Odenwald, war nachweislich in der Zeit des Oradour-Verbrechens in Urlaub und somit unschuldig. Für seine Freilassung hatten die deutschen Pax-Christi-Freunde gelobt, ein großes Kreuz zu errichten. Künstler, Architekten und Firmen haben es dann unentgeltlich aus Betonresten des Westwalls zusammengebaut. Über Jahrzehnte hin wurde es zum Wallfahrtsziel von Friedenspilgern aus ganz Europa. Und es ist die Stein gewordene Erinnerung an einen großen Friedensstifter und an einen außergewöhnlichen Priester und Ordensmann. Ein ganz unscheinbares Steinkreuz markiert dagegen P. Manfreds Grab im Kapuzinerfriedhof München-St. Anton.

Karl Grüner


Grabstein von P. Manfred Hörhammer im Kapuzinerfriedhof bei St. Anton in München

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